Der Preis ist Scheiss

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In Sachen Papierkram sind wir fast schon Messis – zumindest, wenn es sich um unsere Mopeten dreht. Gutachten, alte Briefe, Belege und Rechnungen, wir werfen grundsätzlich nix weg. Aus gutem Grund. Denn tatsächlich greifen wir gar nicht so selten zu den entsprechenden Ordnern. So auch just. Unter dem Aspekt der Preisentwicklung und haben wir uns retroperspektivisch angeschaut, was sich über die letzten zwei Dekaden so getan hat.


Wir haben dazu exemplarische und repräsentative Vorgänge entsprechender Zeitpunkte heraus gezogen (alle darzustellen, hätte komplett den Rahmen gesprengt, denn das sind Dutzende). Sämtliche Rechnungen stammen aus unserem eigenen Fundus und gehören zu unserer eigenen Maschinen. Die Belege haben wir aus Platzgründen eingedampft und natürlich sämtliche persönlichen Angaben, Namen und Nummern unkenntlich gemacht. Selbstverständlich liegen uns die Sachen im Original vor. Die Untersuchungen sind in fünf Bundesländern und von verschiedenen Organisationen durchgeführt worden. Wir sind ganz normale Endkunden und bekommen keinerlei Rabatte oder Sonderkonditionen. Die Preise sind also ganz gewöhnliche Endkunden-Tarife. Natürlich spiegelt der Rahmen nur unsere eigenen Erfahrungen wieder, diese sind jedoch prägnant, decken sich mit uns bekannten Fällen und wurden uns von Werkstätten ebenfalls bestätigt. Der Vergleichbarkeit halber, haben wir zudem Vorgänge herausgezogen, bei denen Umfang und Art der Eintragungen möglichst ähnlich sind. Zwar ist die Betrachtung nicht streng wissenschaftlich, aber die Entwicklung ist dermaßen imposant, dass sich der Trend auch mit bloßem Auge und ohne akademisches Diplom ableiten lässt. Jetzt aber los.

Wir beschränken uns auf die letzten 20 Jahre, weil ansonsten Währungsumstellung, Kaufkraft-Modulation, Einkommensentwicklung, Inflation und andere ökonomische Einflüsse einen zu starken Einfluss entfalten und die Betrachtung verzerren würden. Dennoch sei einführend kurz auf die graue Vorzeit eingegangen: Bis etwa Ende der Neunziger war das Vorgehen sämtlicher uns bekannter Prüfstellen in Sachen Eintragungen in finanzieller Hinsicht wie folgt: je nach Baugruppe und Umfang wurde unterteilt in verschieden „schwierige“ Eintragungen mit entsprechenden Preis-Staffeln. Hatte man mehrere Sachen auf einmal und übertraf die Gesamtsumme der Einzeleintragungen einen Betrag von knapp 130,- DM, wurde die Abnahme automatisch in eine gemäß §21 umgewandelt, welche mit einem Festpreis in Höhe besagten Betrags verbunden war. Es waren dann sämtliche Eintragungen (vollkommen egal wie viele und wie „schwierig“) gedeckelt und da durch den 21er eine neue Betriebserlaubnis ausgestellt wurde, gab es gratis zwei Jahre HU-Segen mit dazu. Beispiel für eine Einzeleintragung anno 2006: Autofelge und dicker Socken, zusammen für €48,60



Ausführliche 19er für 119 Flocken, 2007 durchgeführt und bezahlt



Für eine umfangreiche 21er anno 2009 haben wir immer noch gerade einmal etwas über 110 Kracher abgelatzt. Die Abnahme erfolgte in einer Werkstatt und nicht in einer Prüfstelle, so dass hier sowieso ein gewisser Aufschlag einzukalkulieren ist (was eigentlich völlig unsinnig ist)



Und das erneut bei einer ordentlichen Flut von Änderungen: Räder, Reifen, Heckrahmen, Fahrwerk, Bremsen, Verkleidung, Höcker usw. Man kann die Preise bis hierhin also als durchaus stabil bezeichnen, die Steigerung (sofern überhaupt vorhanden) über die vergangen 20 Jahre ist bestenfalls marginal und entspricht der durchschnittlichen Teuerungsrate und Fluktuation



Auch wenn wir uns auf Eintragungen konzentrieren wollen: Eine HU hat uns zum selben Zeitpunkt (2007) € 35,70 gekostet. Werft mal einen Blick auf die Rechnung eurer letzten Plaketten-Salbung und weint



Selbst mit Anbeginn des zweiten Millennium-Jahrzehnts gab es noch keinen Grund zu meckern. 2011: §21er für 88,- Euronen



Durchaus beachtlicher Umfang, kurzer Auszug aus dem Pamphlet



Das ging die folgende Jahre so weiter. Bis 2016 waren Eintragungen noch bezahlbar und die Preisentwicklung weiterhin normal. Umfangreiche 19er für nen knappen Hunnie...



... und 127 Tacken sind ebenfalls verschmerzbar und erneut auf vertrautem Niveau



Auch der grobe Hunnie für eine 21er aus dem Folgejahr...



...löste keine Weinkrämpfe aus, war halt schon einiges



Fassen wir bis hierhin mal zusammen. Von den Achtzigern, bis zu diesem Zeitpunkt fielen die Preise nicht nur ausgesprochen konstant, sondern auch moderat aus. Tatsächlich finden wir in unserem Fundus nicht einen einzigen Vorgang aus der Zeitspanne, welcher die 150-Euro-Marke auch nur angekratzt hätte. Egal ob nach §19 oder §21. Über 30 Jahre mäßige und erträgliche Preisentwicklung. Und dann hat irgendjemand LSD ins Trinkwasser geschüttet. Hektoliter-weise und von dem ganz üblen Zeug. Denn ohne auch nur den Hauch einer erkennbaren wie auch immer gearteten nachvollziehbaren Änderung der Umstände, Verfahren oder gar des Leistungsumfangs (tatsächlich ist dieser sogar messbar und massiv rückläufig), sind die Preise quasi explodiert. Und das nicht etwa um ein paar Prozent, sondern um ein Vielfaches. Das drei bis Fünffache ist eher die Regel, denn die Ausnahme. Vollkommen unabhängig von der Prüforganisation. Und ein Ende dieser gierschlundigen Progression ist nicht absehbar. Kurioserweise parallel zum Kippen des TÜV/Dekra-Monopols, welches eigentlich genau das Gegenteil auslösen müsste.


So haben wir anno 2020 bereits ordentlich gekotzt, als wir für eine eher übersichtliche Abnahme nach §21 über 360 Taler ablatzen mussten. Woher die Summe kommt, bleibt ungeklärt. Der angegebene Zeitaufwand ist übrigens ein reiner Fantasiewert (wie ein paar andere Sachen auf dem Wisch auch). Wir waren insgesamt nur etwa eine Stunde vor Ort. Wie der Prüfer sich in der Zeit drei Stunden mit dem Krad beschäftigen konnte, ist schwierig nachzuvollziehen, es sei denn er lebt in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum. Auf jeden Fall ist solch eine Verfahrensweise gut für sein Stundenkonto und die Eintreiber-Quote



Und nur ein Jahr später nähern wir uns bereits der 500-Euro-Schranke. 1/2K-Euro für einen reinen Verwaltungsakt bar jedweden Sinn, Nutzen, Wert oder auch nur dem Hauch einer Dienstleistung (alleine hierüber ließe sich ein ganzes Buch schreiben, wir konzentrieren uns aber weiter reinweg auch die Preisentwicklung, auch wenn es uns in den Fingern juckt). Kuriosität am Rande: Diese konkrete Abnahme ist durch denselben Prüfer erfolgt (hat zwischenzeitlich die Organisation gewechselt/wechseln müssen), der noch vier Jahre zuvor eine fast identische und tendenziell sogar deutlich umfangreichere Abnahme für unter einen Hunnie gemacht hat (die 88,- Sache, s.o.). Das ist eine persönliche Steigerung um mehr als das Fünffache in nur vier Jahren



Und damit war er immer noch der „Günstigste“, denn wir hatten parallel natürlich auch bei anderen Organisationen angefragt. Die Dekra z.B. wollte für denselben Verwaltungsakt mindestens 800,- Flocken haben (vorausgesetzt, es klappt alles beim ersten Anlauf, ansonsten kämen pro Nachprüfung jeweils 300-400,- Euro hinzu). Und auch der TÜV zeiget sich ähnlich raffzahnig.

Selbst relativ einfache Nummern (die meisten Teile mit BE/Gutachten versehen) reißen inzwischen beträchtliche Löcher ins Zwiebelleder. 300 Flocken für eine eher gediegene Nummer sind kein beileibe kein Pappenstiel



Die oben aufgeführten Vorgänge entfalten als Maßstabs-getreues Diagramm noch einmal eine ganz eigene Wirkung



Auf eine Bewertung, Einordnung und Kommentierung der Hintergründe sowie Um- und Zustände über das Finanzielle hinaus, verzichten wir an dieser Stelle, denn wir wollen es in diesem Artikel explizit bei der nüchternen Preisermittlung belassen. Der Kohlefaktor ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs und dessen Freilegung damit noch (lange) nicht abgeschlossen.