(B)Schicht-Arbeit
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Der muntere Verbund aus Kittel-Knechten und dem bewaffneten Spielmannszug hat ein neues Steckenpferd für die Wochenend-Safari im Asphalt-Dickicht entdeckt: Kunststoffbeschichtungen. Es ist in dem Zusammenhang bereits mehrfach zu deftigen Sanktionen bis hin zu Stilllegungen sowie Verweigerung des HU-Freundschafts-Patches gekommen, weil Fahrzeugteile (insbesondere Räder) Pulverbeschichtungen aufwiesen. Was steckt dahinter?
Im Kern beruht die Sache auf einem recht alten Schinken aus dem Jahr des Herrn 2004, mit dem schönen Titel „Reparatur von Leichtmetallrädern“, entsprungen dem „Sonderausschuss Räder und Reifen“ des Fachausschusses Kraftfahrzeugtechnik KFT (nicht mit WTF zu verwechseln). Der schweinewichtige Verein stellt in besagtem Pamphlet fest, dass Reparaturen an Aluminium-Felgen grundsätzlich unzulässig sind und instandgesetzte Räder nicht wieder in den Straßenverkehr gebracht werden dürfen. Nie nicht! Das schlug seinerzeit einige Wellen und verursachte weitreichende Verwirrung, so dass Ende 2010 der „TÜV Süd Automotive“ nachlegte und eine Differenzierung hervor würgte. Titel des Elaborats: „Finales Grundsatzpapier für Radaufbereitungen - Reparatur von Leichtmetallrädern versus optische Radaufbereitung“. Beide Werke liegen uns vor.
Das zweite Schreiben erläutert auf vollen drei Seiten, wie sich eine Reparatur (also Schadens-Instandsetzung) von einer minderschweren optischen Aufarbeitung unterscheidet - und das letztere entgegen ersterer grundsätzlich zulässig ist. Der Sachverhalt einer „optischen Aufarbeitung“ wird dort wie folgt definiert:
„Unter einer optischen Aufbereitung ist grundsätzlich die fachgerechte technische Wiederherstellung des Rades hinsichtlich optischer Defekte, durch Polieren, örtliches anschleifen, verrunden von Kerben, eventuelles Füllen, Grundieren und Lackieren zu verstehen. Im Fokus der Betrachtung stehen die oberflächig sichtbaren Makel, die bei unbehandelten Weiternutzung der Räder weder zu technischen noch zu rechtlichen Einschränkungen (z.B. bei einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO) führen würden.“
Unterm Strich also das kosmetische Aufhübschen leichter, technisch und funktional nicht relevanter Macken. So weit, so gut. Es folgt dann eine ganze Litanei an Einschränkungen, welche im Zuge der Schick-Macherei nicht erlaubt sind. U.a. steht dort explizit:
„Eine max. Einwirktemperatur/ -zeit von 90°C/ 40 min. darf bei Lackierarbeiten nicht überschritten werden. Pulverbeschichtungen mit höheren Temperaturen und Einwirkzeiten sind nicht zulässig. […]“
Da Pulverbeschichtungen im Normalfall bei über 200 Grad erfolgen, eine ziemlich eindeutige Sache. Auf den ersten Blick zumindest. Und genau auf diesen Passus stützt sich nun das Wegelagerer-Kollektiv und kellt munter drauf los wie der schwedische Koch in der Muppet Show auf Koks. Ob das jedoch immer rechtens ist, darf mehr als bezweifelt werden. Wir sind gar der Meinung, dass die Anwendung und Umsetzung extrem heikel ist und bei einer expliziten Überprüfung wenig Aussicht auf Bestand hat. Artgerechtes Verhalten im Vorwurfsfall vorausgesetzt.
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1) Sowohl das Ursprungs-Papier von 2004 (das reimt sich gar herrlich) als auch besagte Ergänzungen (von 2010) drehen sich ausschließlich um Instandsetzungs-Arbeiten, sind also ausdrücklich im Zusammenhang mit malträtierten Felgen und Reparaturen leichter (Aufbereitung) bis gravierender Intensität anzuwenden. Um vollkommen intakte oder gar nagelneue Räder geht es in den Papieren nicht. Uns wäre auch keine andere Grundlage bekannt, welche entsprechende Vorgaben machen würde.
2) Selbst wenn man 1) außer Acht lässt, ist es auch einem sachverständigen Menschen praktisch unmöglich, eine Beschichtung von einer Lackierung zu unterscheiden. Die Zeiten runzeliger Orangen-Häute sind lange vorbei. Und selbst wenn doch, so muss er schon eine ausgezeichnete Glaskugel besitzen, um den angewendeten Temperatur- und Zeitbereich erkennen zu können. Denn es gibt durchaus Niedertemperatur-Verfahren – die selbst gemäß des Schriftsatzes ausdrücklich erlaubt sind. Und wie immer gilt auch hier: die Beweislast liegt nicht beim Beschuldigten, sondern beim Beschwerde-Führer.
3) Es gibt mittlerweile auch serienmäßig beschichtete Räder, welche im Zuge der BE-Erstellung natürlich legalisiert wurden und über jeden Vorwurf erhaben sind. Ob eine Felge also nachträglich behandelt wurde, oder die Oberflächenvergütung legitimer Ausgangs-Zustand ist, bedarf erneut hellseherischer Kräfte
Und so ist die einzige wasserdichte Handhabe (wie so oft), den Delinquenten vor Ort dazu zu bringen, sich um Kopf, Kragen und Verstand zu quatschen und den (potentiell haltlosen) Vorwurf zuzugeben. Denn dann spielt es keine Rolle mehr, ob dieser gerechtfertigt oder vollkommen an den Haaren herbeigezogen ist. Das lästige schürfen nach Beweisen wird damit gleichermaßen obsolet. Für den Vorwurfsfall sind deshalb (abgesehen von: Fresse halten!) folgende Umstände elementarer Natur und unausweichlich zu verinnerlichen:
- Die Umfärbung ist in keinem Fall einer wie auch immer gearteten Reparatur oder Aufbereitung geschuldet. Die Felge ist neuwertig, beschädigungsfrei und intakt! (Man darf ruhig auf die Kenntnis der beiden Schreiben hinweisen und anführen, dass sich diese explizit und ausschließlich auf Reparatur und Aufbereitung beziehen und damit für die vollkommen unbeschädigten Räder nicht relevant seien)
- Die Räder sind selbstverständlich Garagen-lackiert und nicht beschichtet
Folgender imaginärer Dialog-Verlauf in einer Fahrzeugkontrolle gehört dementsprechend mit einem deftigen Schlag mit der großen Kohlenschippe auf den Göbelschacht des Delinquenten sanktioniert:
POM-Fritz: „
Schicke Maschine haste da. Die Felgen sehen ja aus wie neu! Respekt.“
Hugo Halbhirn: „
Ja, geil, näää. Waren schon reichlich mitgenommen. Hab ich günstig bei ebay geschossen und letzten Winter ausbessern und hübsch machen lassen. Hat `ne fette Stange Geld gekostet.“
POM-Fritz: „
Glaub ich sofort. Hält der Lack denn den ganzen Bremsstaub und das Kettenfett aus?“
Hugo Halbhirn: „
Lackierung??? Neee, das ist astrein Kunststoff-beschichtet. Hält quasi ewig. Best wo gibt.“
POM-Fritz ordert innerleich breit grinsend einen gelben Laster mit ADAC-Schild auf dem Dach und
Hugo Halbhirn ein deutlich kleineres, aber ebenfalls gelbes Auto mit Taxi-Inschrift, kurz darauf dann einen Termin beim Anwalt und etwas später einen neuen Satz Felgen. Danach wird er vorstellig und holt sich seine wohl verdiente Gesichts-Packung mit der groben Schippe ab. Herr im Himmel!
Selbe Situation, deutlich besserer Verlauf:
POM-Fritz: „
Schicke Maschine haste da. Die Felgen sehen ja aus wie neu! Respekt.“
Björn Bingo: [Kann Fighters-§-Kung Fu und schweigt entsprechend ebenso beharrlich wie emotionslos, während er wunschgemäß Fahrzeugschein und Lappen aushändigt]
POM-Fritz: „
Sind die Felgen beschichtet? Sieht gut aus.“
Björn Bingo: „
Nee, die sind einfach noch ziemlich neu und ich hab sie im Winter in der kalten Garage einmal mit der Sprühdose übergejaucht. Ganz gut geworden“
POM-Fritz ordert `ne POM-Mes statt des gelben Lasters und
Björn Bingo nach fortgesetzter Weiterfahrt `ne Apfelschorle im Kiosk am Poser-Parkplatz. Die hat er sich auch verdient. Guter Mann!
Beides leicht plakativ und simplifiziert, aber der Kern der Sache wird deutlich. Übrigens gibt es noch einen weiteren populären Punkt, welchen obige Schriften voll doof finden:
„Die Bearbeitung von Rädern mit Sandstrahlgeräten und deren Sandstrahlmedien (sofern hierdurch eine Strukturveränderung des Materials im Oberflächenbereich erzielt wird) wie auch das thermische Entlacken sind nicht zulässig“
Entsprechende Eingeständnisse sind vorsorglich also ebenfalls zu unterlassen. Grundsätzlich merken sollte man sich drei Parameter: „
neue Felge“, „
Garagenlackierung mit der Dose“ und
Fresse halten, vollkommen egal, was angedroht wird. Die Beweislast liegt nicht bei euch – nehmt den freundlichen Herrschaften in den silbernen Autos nicht den Job weg.
Uns sind Fälle bekannt, in denen die Nummer fantasievoll auch auf andere Teile, wie z.B. Schwingen, Rahmen oder Gabeln angewendet wurde. Das ist zwar eine nette Idee, aber entbehrt jedweder Basis. Beide Schriebe drehen sich ausschließlich um Felgen. Und auch nur um Guß- und Schmiederäder aus Leichtmetall. Gefräste Modelle, Drahtspeichenräder sowie alle andere Bauformen sind so oder so komplett raus. Die Regelungen gelten übrigens für Mopeten wie auch Blechsärge gleichermaßen.
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