Copy and Waste





China-Ware erfreut sich anhaltender Beliebtheit, was angesichts des Preisunterschieds zu etablierter Markenware grundsätzlich erst einmal durchaus nachvollziehbar ist. Der Preisvorteil asiatischer Nachbauten kann schnell einmal den Faktor Zehn erreichen. Grund genug für uns, immer mal wieder die neugierigen Griffel auszustrecken und im konkreten Fall einmal zu schauen wie sich die Sache bei Kombi-Instrumenten verhält. Wir haben uns exemplarisch zwei verbreitete Modelle gekrallt, diese intensiv unter die Lupe genommen und anschließend einem einjährigen Praxistest unterzogen.


Kollege Numero Uno ist ein Klon des Koso RX2N und gleicht dem Original optisch frappierend – kostet aber nur einen Bruchteil des Markenuhrwerks: Koso: ca. €320,- Klon: €20,- bis €50,-. Verarbeitung und Material der Kopie sind auf den ersten - und auch zweiten - Blick durchaus brauchbar, Kontrollleuchten für Blinker, Fernlicht, Neutral, Wasser-Temperatur und Motorfehler sind vorhanden, zusätzlich existiert eine Warnlampe für Unterspannung sowie eine für geringen Sprit-Stand. Dazu gesellen sich 24h-Uhr, Ganganzeige, ein Tageskilometer-Zähler sowie ein Schaltblitz. Der analoge Drehzahlmesser ist mit einer zusätzlichen LED-Bargraph-Anzeige bestückt, die mit dem Zeiger mitwandert. Das LCD-Feld fällt ordentlich groß aus, die Lämpchen sind hell genug, die Schrift amtlich lesbar und zeichnet klar. Mit dem Funktionsumfang des Koso kann der Hoschie zwar nicht mithalten – bringt aber mehr als genug für den normalen Gebrauch mit. Uns fehlt soweit also erst einmal nichts. Im Gegenteil: weniger ist hier tatsächlich mehr, insbesondere, da viele der Zusatz-Gimmicks reine Spielereien sind



Der karge Einstandspreis macht sich nicht nur in der fehlenden Verpackung bemerkbar, sondern auch in der „Dokumentation“. Diese besteht aus einem einzelnen unglaublich schlecht – und dazu noch im Querformat (WTF?) auf ein abgegrabbeltes DINA4-Blatt kopierten „Beschreibung“ mitsamt amüsanten Übersetzungs-Kapriolen. Zündungsplus (also Klemme 15) wird z.B. als „Electrical Door Lock“ tituliert. Der Ausdruck ist durch das benagelte Format und die daraus resultierende Schriftgröße praktisch nicht zu entziffern. Wir haben ihn mit 6.000dpi eingescannt, OCR-nachbearbeitet und dann in brauchbarer Größe ausgedruckt um mit ihm überhaupt etwas anfangen zu können



Die gruselige Manual-Qualität ist jedoch halb so schlimm, denn die angegebene Kabelbelegung deckt sich eh nicht mit der Hardware. Man muss schon gut im Raten sein und ein bisschen probieren, will man dem Teil Funktionalität abringen. Zumindest sind die drei Blöcke thematisch sortiert (je einer für den Tachosensor, die Hauptfunktionen und die Ganganzeige), was die Sache etwas erleichtert



Testling Nr. 2 ist dieser Rundling, ebenfalls aus der 20-Euro-Klasse stammend jedoch keine Kopie eines Marken-Gerätes, sondern echte Eigenentwicklung. Sein Funktionsumfang gleicht in etwa dem des Koso-Klons



Das gilt leider auch für die mitgelieferte Beschreibung. Auch hier geht nichts ohne Ratespielchen sowie Try-and-error. Ganz klar etwas für Entdecker und Pioniere



Zudem ist die Kabelpeitsche des Modells extrem kurz geraten. Aber da die Stecker keinem Standard-Schema entsprechen und auch keine Gegenstücke mitgeliefert werden, muss hier sowieso massiv Hand angelegt werden. Unnötig zu erwähnen, dass auch bei diesem Tierchen die Kabelangaben nicht mit dem „Schaltplan“ überein stimmen. Mangels Stecker-Abbildung ist hier der Ratefaktor noch einmal deutlich größer. Ich kaufe ein „E“ und möchte lösen



Machen wir mal einen auf elektrischen Urologen, werfen die Dinger auf den Bauch und schauen ihnen in den Arsch. Beide Typen sind rektal mit Steckerblöcken ausgestattet, an welchen die Kabelpeitschen andocken. Die Öffnungen klaffen weit und erlauben direkten Blick auf die ungeschützten Platinen



Während der Rundling wenigstens so etwas wie eine symbolische wenn auch wirkungslose Staubkappe mitbringt, bleibt beim Koso-Klon die Rosette komplett offen. Bei beiden Modellen können also Wasser, Staub und anderes Ungemach praktisch ungehindert eindringen. Wer das doof findet, muss Hand anlegen und konstruktiv nachbessern



Beide Kandidaten sind mit analogen Drehzahlmessern und LCD-Feldern bestückt. Der Rundling verkündet dort parallel Geschwindigkeit, Tageskilometer, Gangstufe und Sprit-Niveau. Letztere beiden nur, wenn entsprechende Sensoren verbaut sind. Die Kontrollleuchten sind im Ziffernblatt des Drehzahlmessers untergebracht. Die Hintergrundbeleuchtung ist schön hell, der Kontrast im LCD-Feld makellos



Beim Koso-Klon residieren die Kontrollleuchten seitlich in einem separaten Feld. Das ist jedoch so bescheuert umgesetzt, dass schon bei sehr geringen Neigung der Einheit der untere Blinkerpfeil komplett hinter dem Plaste-Gehäuse verschwindet und unsichtbar wird. Die Leuchtkraft der Signale ist nicht opulent aber ausreichend und auch bei starkem Tageslicht erkennbar



Das große LCD-Feld teilt das konstruktive Dilemma der LEDs. Auch hier werden Tankanzeige und Kilometer-Stand dank der dusseligen Anordnung bereits bei marginalen Anstellwinkeln vom eigenen Gehäuse vergedeckt



Einzige Möglichkeit umfassende Sichtbarkeit zu gewährleisten, ist eine penibel im rechten Winkel zur Blick-Linie ausgerichtete Position, was z.B. beim Verbau hinter einem Masken-Verhau zu platztechnischen Komplikationen führen kann. Erschwerend hinzu kommt, dass (wie auf dem Bild zu sehen) schon bei minimalem Abkippen in die andere Richtung die LCD-Schrift stark verblasst und kaum noch ablesbar ist. Vergleicht man das Bild mit dem vorigen, kann man gut sehen wie gering der nutzbare Winkel ausfällt



Ist das Tierchen passend justiert, unterrichtet es gleichzeitig sowohl über den Km-Stand ODO oder Trip), als auch den eingelegten Gang (theoretisch, dazu später mehr), die Sprit-Menge sowie die Uhrzeit



Neben dem Radumfang lassen sich auch die Anzahl der Impulse für Drehzahl und Tacho sowie der Widerstands-Bereich für die Tankuhr justieren



Zudem kann die Hintergrund-Beleuchtung in diversen Farben erstrahlen und es gibt ein paar (überflüssige) Peak-Funktionen



Der Schaltblitz ist eher ein Schaltwitz. Das Ding ist saudunkel und glimmt bestenfalls. Bei Tageslicht ist er praktisch nicht zu erkennen. Außerdem wird es nicht intern vom Drehzahlmesser angesteuert, sondern erfordert einen zusätzlichen externen Geber. Im Prinzip also eher eine zusätzliche Kontrollleuchte oder reine Deko. Nutzbar im eigentlichen Sinn ist das Teil nicht



Bedient und programmiert wird der Klon über zwei gut erreichbare wasserdichte Taster an der Vorderseite



Anzeige:


Dank des überschaubaren Funktionsumfangs braucht man sie nur sehr selten – was tatsächlich durchaus positiv zu bewerten ist. Für mehr als den Trip-Reset nach dem Tanken fassen wir die Drücker nicht an, was tatsächlich eine Eigenart ist, die wir von Instrumenten erwarten



Wesentlich dubioser geht es beim Rundling zur Sache. Der besitzt nur einen Taster – und der hockt auch noch an der Unterseite. Im montierten Zustand für jeden mit kürzeren Fingern als E.T. nicht zu bedienen. Echter Schenkel-Klopfer am Rande: Fake-QC-Sticker



Die schlechte Erreichbarkeit des Tasters ist unterm Strich aber egal. Denn so ganz viel ist am Rundling nicht zu machen. Man kann lediglich die Einheiten auf Meilen oder Km umstellen



Das war es auch schon. Der Randumfang ist auf ein unbekanntes Maß fix vorprogrammiert und lässt sich nicht ändern. Das macht jedoch nichts, denn zudem war der Drehzahlmesser nicht zum Leben zu erwecken (wie wir nach etwas Recherche ermitteln konnten, kein Einzelfall bei diesem Typus). Mehr als die symbolische Bewegung während des Anlaufens beim Einschalten war ihm nicht abzugewinnen. Weder mittels ECU noch über die Zündspule wollte der Zeiger seine Null-Stellung verlassen – getestet an vier verschiedenen Motorrädern. Unterm Strich also keine Drehzahlanzeige und ein Tacho der zum Mond geht. Bleiben nur die Kontrollleuchten. Und deren Umsetzung kann man solo besser lösen. Ein Briefbeschwerer mit Kabelanschluss



Zum Thema „Ganganzeige“ muss man zudem um eine Gemeinsamkeit beider Probanden wissen: anders als bei allen uns bekannten Geräten, errechnet bei den China-Krachern nicht das Gerät selber die Gangstufe aus dem Drehzahl/Km-H-Verhältnis oder lässt sich anlernen, sondern schaltet die Ziffern einzeln über Masse. Das funktioniert also nur, wenn man einen Gangsensor am Hobel hat, der entsprechend agiert. Da diese rustikale Form Anfang der Achtziger ausgestorben ist und inzwischen die Geber über wechselnde Widerstände/Spannungen ihr Signale in den Kabelbaum schicken, sind beide Ganganzeigen praktisch unbrauchbar. Das gleiche gilt für die Temperatur-Leuchte. Auch hierfür ist kein Sensor vorgesehen, sondern lediglich ein Masse-Anschluss, der mit kaum einem Krad kompatibel ist



Da der Rundling weder Drehzahl noch adäquate Tacho-Funktion offerierte, haben wir auf einen praktischen Test verzichtet. Was soll man auch testen, wenn die Kiste bereits vor dem Zyklus funktionslos ist?!



Dafür haben wir dem Koso-Klon eine Chance gegeben, ihn an der Turbo-Z montiert und dort die Saison 2020 etwa 8.000km bewegt



Fangen wir mit den Schlechtigkeiten an: der Drehzahlmesser ist chronisch unterdämpft, so dass er auch bei Konstant-Fahrt spastisch hin-und-her zuckelte. Nicht selten über den halben Skala-Bereich. Das haben wir in den Griff bekommen, indem wir die Impulszahl auf das Maximum gestellt haben. Das erfordert jedoch auch einen frei konfigurierbaren Geber, was in unserem Fall dank unserer ECU kein Problem war, sonst jedoch kaum geht. Man kann der Sache alternativ mit einem extern verlöteten Kondensator her werden, was natürlich entsprechende Kenntnisse erfordert. Ein ähnliches Phänomen bot der Tacho-Sensor. Zum einen funktionierte das mitgeliefert Teil nicht, so dass wir selber einen bauen mussten - dessen Werte der Tacho auch artig annahm. Wir haben in der Versuchsreihe verschiedene Typen getestet: egal ob Hallgeber oder induktive Erregung, passiv oder aktiv, der Tacho nahm alle Signale willig an. Sehr gut! Weniger gut: wir hatten anfangs sechs Magnete am Rad montiert und den Tacho auf die entsprechende Anzahl umgestellt, was also harmonieren sollte. Für die Geschwindigkeits-Anzeige wurde die Kombi auch korrekt berücksichtigt – nicht jedoch für die Kilometer-Zählung. Diese ignoriert ganz stumpf die eingestellte Vorgabe, so dass die Strecken um den Faktor 6 zu hoch gezählt wurden. Das ist zwar ein super Weg um kostengünstig die Jahres-Kilometerleistung in Stammtisch-kompatible Höhen zu treiben und den Durchschnittsverbrauch (wenn auch nur kalkulatorisch) auf unter einen Liter zu drücken – in der Realität aber komplett doof. Damit ist die eigentlich gute Funktion für den Popo und macht die Ein-Magnet-Lösung zur einzig nutzbaren. Schade



Richtig übel: trotz angeschlossener Tankanzeige mussten wir auf der ersten Runde den Hobel schieben – und zwar mit leerem Tank zur nächsten Sprit-Schänke. Und dass, obwohl die Anzeige immer noch zwei von fünf Strichen vermeldete. Verantwortlich für die ungewollte sportliche Betätigung waren zwei Faktoren: zum einen wiederum die Instrumenten-Software: Normalweise zählen die Balken bis zum letzten herunter und wenn der anfängt zu blinken, ist man auf Reserve. Anders beim Klon: hier bedeuten zwei Striche bereits Reserve und der letzte Strich signalisiert „Tank leer“. Da zu diesem Zeitpunkt auch noch der Kilometerzähler zum Mond ging (s.o.), hat uns der Vogel gleich doppelt verarscht und somit die Schiebe-Aktion initiiert. Wie sich zudem herausstellte, ist auch der interne Widerstandsbereich um 15% aus der Bahn, was zu einer zusätzlichen optimistischen Meldung des Füllstands führt. Das konnten wir mit einem in Reihe eingelöteten 15Ohm-Widerstand beheben



Nicht so richtig geil, aber verschmerzbar: das Instrument vergisst seine Einstellungen nach jedem Start. Die Hintergrundfarbe geht zurück auf Auslieferungs-Zustand und egal welche Funktion auf dem ODO-Platz eingestellt war, man beginnt immer mit den Gesamt-Kilometern. Nach etwa 1.000km hat sich zudem die LED-Segment-Anzeige für den Drehzahlmesser verabschiedet. Da die sowieso kaum zu sehen war, ist auch das eher nebensächlich. Das klingt alles zusammen erst einmal nach reichlich Schund und Murks, tatsächlich haben wir das Teil in der Zeit jedoch zu schätzen gelernt und belassen ihn deshalb bis auf weiteres am Krad. Die Gründe dafür: das Ding ist, einmal penibel ausgerichtet, sehr gut ablesbar. Der Funktionsumfang ist mehr als ausreichend. Uns fehlt nichts. Mehr brauchen und wollen wir nicht. Tatsächlich ist die Kargheit eher ein positives Merkmal. Zudem sehr erfreulich: die Stromaufnahme im Ruhemodus ist marginal. Der Akku wird auch bei längerer Standzeit nicht heimlich leer genuckelt. Das Ding ist nach einer Anschluss-Modifikation wasserdicht, beschlägt nicht und zeigte sich bis dato zuverlässig und präzise. Die Geschwindigkeitsanzeige ist über den gesamten Bereich sehr präzise und die Zahlensprünge sind nicht nervös. Das LCD zappelt also nicht bei jedem Km/h mehr oder weniger herum, sondern besitzt eine gewisse und sehr angenehme und fast schon beruhigende Gelassenheit. Das Gehäuse ist bis heute nicht versprödet oder ausgeblichen. „Schaltblitz“ und Ganganzeige haben wir anderweitig nutzbar gemacht. So ist die Ganganzeige nun ein numerischer Indikator für die Drosselklappen-Stellung (extrem hilfreich beim Mappen!) und den Schaltwitz nutzen wir als Anzeige für eine ECU-Funktion. Tatsächlich kann das Ding (in unserem sehr speziellen Fall) auf Grund seiner Stumpfheit tatsächlich „mehr“, als jeder 500-Kracher-Tacho und erspart uns zusätzliche Instrumente. Alleine die numerische TP-Anzeige ist unbezahlbar. Wir können zudem Lambda über die Drehzahlmesser-Skala wiedergeben (was selbst viele teure Instrumente nicht mitmachen) und seit der Anpassung der Sensorik funktioniert auch die Tank-Uhr astrein und zuverlässig. Wer also vor etwas Gebastel und Nacharbeit nicht zurück schreckt und elektrisch beleckt ist, kann mit dem Klon für gerade einmal 20-30 Kracher tatsächlich langfristig glücklich werden. Von dem runden Kollegen können wir hingegen nur abraten, das Ding ist nicht einmal den aufgerufenen Zwanziger wert. Wer auf Plug-and-play, gute Anleitungen, E-Zulassung, Service und Garantie Wert legt und Sorglosigkeit out-of-the-box will, lässt von beiden Delinquenten die Finger! Hier hilft dann nur der etablierte Markt weiter und die potentielle Ersparnis steht in keinem Verhältnis zum mitgelieferten Frust.